Weihnachtsgeld – Anspruch trotz Freiwilligkeitsvorbehalt?

15.12.2010  • Arbeitsrecht / Mönchengladbach

Das Problem:

Oft erhalten Arbeitnehmer jahrelang ein Weihnachtsgeld. Geht es dem Unternehmen schlechter, will der Arbeitgeber die Weihnachtsgeldzahlung möglichst einsparen. Einseitig kann er das nur, wenn ervor oder spätestens mit der Zahlung klargestellt hat, dass diese freiwillig und ohne Rechtsanspruch für die Zukunft erfolgen soll. Tut er das nicht, entsteht nach dreimaliger Zahlung ein Rechtsanspruch auch für die Zukunft (betriebliche ܜbung). Oft haben Arbeitgeber deshalb in ihren vorformulierten Arbeitsverträgen Regelungen vorgesehen, in denen klargestellt werden soll, dass derartige Zahlungen freiwillig erfolgen und keinen Rechtsanspruch begründen (Freiwilligkeitsvorbehalt).

Ein solcher vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt kann aber unwirksam sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 08.10.2010 entschieden. Der Arbeitgeber darf sich zwar mit einer formularmäߟige Klausel im Arbeitsvertrag die Freiwilligkeit der Weihnachtsgeldzahlung vorbehalten. Die Klausel muss aber klar und verständlich i.S.v. § 307 BGB sein. Ist das nicht der Fall, ist sie unwirksam und kann dann  das Entstehen eines künftigen Rechtsanspruchs durch betriebliche ܜbung nicht verhindern. Eine Klausel, wonach die Gewährung von gesetzlich oder tarifvertraglich nicht vorgeschriebenen Leistungen freiwillig sowie ohne jede rechtliche Verpflichtung erfolgt und die Leistungen daher jederzeit widerrufbar sind, ist nicht klar und verständlich.  Sie verhindert daher nicht, dass bei mehrmaliger Zahlung ein Rechtsanspruch entsteht.

Der Fall:

DerArbeitnehmer, ein Diplom-Ingenieur  erhielt zumindest in den Jahren 2002 bis 2007 jeweils ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Ein ausdrücklicher Vorbehalt der Freiwilligkeit war nicht erklärt worden. Unter Hinweis auf eine Klausel im schriftlichen Arbeitsvertrag zahlte der Arbeitgeber in 2008 wegen der Wirtschaftskrise kein Weihnachtsgeld.
Die Klausel lautet:
„Soweit der Arbeitgeber gesetzlich oder durch Tarifvertrag nicht vorgeschriebene Leistungen, wie Prämien, Zulagen, Urlaubsgeld, Gratifikationen, Weihnachtsgratifikationen gewährt, erfolgen sie freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung. Sie sind daher jederzeit ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar. „

Der Arbeitnehmer verlangte auch für 2008 das Weihnachtsgeld, dass ihm nach seiner Meinung aufgrund betrieblicher ܜbung auch für das Jahr 2008 in Höhe eines Monatsgehalts zustehe. Der Freiwilligkeitsvorbehalt in seinem Arbeitsvertrag sei unwirksam, da er nicht ausreichend klar und zudem widersprüchlich sei. Das BAG gab ihm Recht (BAG 8.12.2010, 10 AZR 671/09).

Das Urteil:

Zahlt ein Arbeitgeber mehrere Jahre lang ein Weihnachtsgeld an einen Arbeitnehmer, ohne bei der Zahlung deutlich eine Bindung für die Zukunft auszuschlieߟen, kann der Arbeitnehmer aus diesem regelmäߟigen Verhalten grundsätzlich schlieߟen, der Arbeitgeber wolle sich dauerhaft verpflichten.

Ein klar und verständlich formulierter vertraglicher Freiwilligkeitsvorbehalt kann zwar einen zukünftigen Anspruch auf eine Sonderzahlung ausschlieߟen. Allerdings darf dieser als Allgemeine Geschäftsbedingung formulierte Vorbehalt nicht mehrdeutig, sondern muss klar und verständlich i.S.d. § 307 BGB sein.
Die von dem Arbeitgeber hier verwendete Klausel ist unklar und nicht eindeutig formuliert.  Sie kann nämlich auch so verstanden werden, dass sich der Arbeitgeber aus freien Stücken zur Erbringung der Leistung verpflichten wollte. außerdem setzt der vorbehaltene Widerruf voraus, dass überhaupt ein Anspruch entstanden ist. Das ist bei einer freiwilligen Leistung gerade nicht der Fall.

Praxishinweis:

Arbeitnehmer, die anders als in den Vorjahren kein Weihnachtsgeld erhalten haben,  sollten ihren Arbeitsvertrag überprüfen und sich anwaltlich oder von der Gewerkschaft beraten lassen (nicht zu lange warten, die Ansprüche können verfallen!).




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