Urlaub verfällt nicht mehr durch bloßen Zeitablauf
Urlaubsansprüche verfallen nicht mehr automatisch. Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer auffordern, Urlaub zu nehmen, wenn er ansonsten verfallen würde. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 19.2.2019 entschieden.
Erneut hat der Europäische Gerichtshof EuGH das deutsche Urlaubsrecht korrigiert. Bislang war es ständige Rechtsprechung, dass Urlaubsansprüche automatisch verfallen, wenn sie nicht innerhalb des Urlaubsjahres genommen worden sind oder in zulässiger Weise auf das folgende Jahr übertragen wurden. Diese Rechtsprechung ist jetzt überholt. Nachdem der EuGH im November 2018 bereits entschieden hatte, dass der ein Verfall nur eintreten kann, wenn der Arbeitgeber zuvor sichergestellt hat, dass der Arbeitnehmer den Urlaub auch nehmen kann, hat das Bundesarbeitsgericht BAG dies jetzt auch in einem Urteil vom 19.02.2019 für das deutsche Urlaubsrecht festgestellt. Das Bundesurlaubsgesetz (BurlG) muss europarechtskonform dahingehend ausgelegt werden, dass ein Verfall nur eintritt, wenn der Arbeitgeber zuvor den Arbeitnehmer aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und darauf hingewiesen hat, dass er andernfalls erlischt.
Kein aufgezwungener Urlaub
Nach wie vor ist es aber so, dass der Urlaub nicht vom Arbeitgeber einseitig bestimmt werden kann. Der Arbeitgeber kann also nicht den Urlaub gegen den Willen des Arbeitnehmers anordnen. Vielmehr muss der Arbeitnehmer den Urlaub verlangen und der Arbeitgeber zu den vom Arbeitnehmer gewählten Zeiten den Urlaub gewähren, es sei denn betriebliche Gründe stehen dem entgegen. An dieser Systematik ändert sich nichts. Dabei bleibt es. Der Urlaub verfällt jedoch nur noch dann, wenn der Arbeitgeber bei ausgebliebenem Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers diesen aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen und darauf hingewiesen hat, dass er sonst verfällt.
Praxishinweise
Grundsätzlich gilt diese Rechtslage auch für bisher nicht genommene Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit. Aus Arbeitnehmersicht lohnt es sich deshalb, in all den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Verfall des Urlaubs eingewandt hat, die Urlaubsansprüche erneut geltend zu machen und gegebenenfalls bei beendetem Arbeitsverhältnis die Abgeltung zu verlangen. Begrenzt werden dürfte der Anspruch durch die allgemeinen Verjährungsvorschriften (drei Jahre) oder im Fall von wirksamen Verfallklauseln. Diese können im Arbeitsvertrag oder auch in einem Tarifvertrag geregelt sein. Denkbar ist auch eine Verwirkung von Urlaubsansprüchen, wenn zuvor der Eindruck erweckt worden ist, diese würden unter keinen Umständen mehr geltend gemacht werden. In jedem Fall ist eine anwaltliche Beratung in Zweifelsfragen empfehlenswert.
Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass eigentlich schon erledigte Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit noch geltend gemacht werden. Für die Zukunft tun Arbeitgeber gut daran, vor Ablauf des Urlaubsjahres die Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass etwa noch offener Urlaub angemeldet werden sollte und dieser ansonsten verfällt. Ein solcher Hinweis kann auch in den Verdienstabrechnungen enthalten sein. Das ist jedenfalls dann sinnvoll, wenn dort auch die Urlaubstage ausgewiesen werden. Auch hierzu ist anwaltliche Beratung zu empfehlen.
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