Vorsicht beim Aufhebungsvertrag – Beitragspflicht und Anrechnung auf Sozialleistungen droht

16.10.2018  • Arbeitsrecht / Sozialrecht

Abfindungen wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind normalerweise beitragsfrei in der Sozialversicherung. Gestaltungsfehler können aber teuer werden und die Beitragspflcht auslösen.

Häufig werden Arbeitsverhältnisse mit Kündigung oder Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung beendet. Die sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen werden dabei nicht immer genügend bedacht. Es drohen bei nur kleinen Gestaltungsfehlern schwerwiegende finanzielle Nachteile. Deshalb ist große Vorsicht geboten und der sozialversicherungsrechtliche Kontext muss beachtet werden.

Kein Anspruch auf Abfindung

Wenn nicht gerade in einem größeren Unternehmen mit Betriebsrat ein Sozialplan eine Abfindungszahlung vorsieht, gibt es normalerweise keinen Anspruch auf eine Abfindung. Das gilt selbst dann, wenn das Arbeitsverhältnis lange Jahre oder gar Jahrzehnte bestanden hat und dann beendet wird. Grundsätzlich gilt: Wenn der Arbeitgeber einen Kündigungsgrund hat, darf er das Arbeitsverhältnis beenden ohne eine Abfindung zahlen zu müssen. Streitet man darüber, ob ein Kündigungsgrund besteht, enden viele Kündigungsschutzprozesse mit einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung. Häufig wird auch, insbesondere bei langer Erkrankung des Arbeitnehmers, ohne Kündigung und ohne Gerichtsprozess in einem Aufhebungsvertrag das Arbeitsverhältnis beendet. Insbesondere diese außergerichtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Abfindung bietet zahlreiche sozialversicherungsrechtliche Risiken. Aber auch bei einem gerichtlichen Vergleich muss das sozialversicherungsrechtliche Umfeld beachtet werden.

Abfindung und Arbeitslosengeld (ALG) – Ruhen und Sperrzeit

Wer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitslos ist und Arbeitslosengeld (ALG) beantragen muss, kann dies nur dann ohne Lücke erhalten, wenn die Kündigungsfrist eingehalten wird. Bei einer vorzeitigen Beendigung, ruht der Arbeitslosengeldanspruch zunächst und zwar im Prinzip so lange, bis die ordentliche Kündigungsfrist abgelaufen wäre. Dafür gibt es spezielle Anrechnungsvorschriften. Je älter der Arbeitslose ist und je länger das Arbeitsverhältnis bestanden hat, umso weniger wird von der Abfindung angerechnet. Der ALG-Anspruch geht zwar nicht verloren, weil der Anspruchszeitraum nicht gekürzt wird. Das ALG beginnt jedoch erst später. In der Zwischenzeit muss man von der Abfindung leben. Deshalb ist Vorsicht geboten, wenn das Arbeitsverhältnis vorzeitig ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet werden soll.

Darüber hinaus kann es in solchen Fällen zu einer Sperrzeit kommen. Diese verkürzt den ALG-Zeitraum in der Regel um ein Viertel. Insbesondere bei älteren Arbeitnehmern, die  bis zu zwei Jahre ALG beziehen können, führt dies dazu, dass nicht nur drei Monate kein ALG gezahlt wird, sondern auch am Ende zusätzlich drei Monate gestrichen werden. Aus 24 Monaten ALG werden so nur 18 Monate. Das kann bitter sein.

Die Sperrzeit tritt nur dann nicht ein, wenn es einen wichtigen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gibt. Ein gerichtlicher Vergleich ist als wichtiger Grund  anerkannt, aber auch der ärztliche Rat zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann ein wichtiger Grund sein. Auch hier gilt aber: Äußerste Vorsicht und möglichst nicht ohne spezielle sozialversicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Beratung eine Beendigungsvereinbarung schließen.

Abfindung und Krankenversicherung – Vorsicht bei freiwilliger Krankenversicherung

Im Normalfall hat die Abfindung keinen besonderen Einfluss auf die krankenversicherungsrechtliche Situation. Insbesondere gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Sperrzeit wie beim Arbeitslosengeld. Gefährlich wird es aber, wenn nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses eine freiwillige Versicherung entsteht. Bei der freiwilligen Versicherung wird nämlich die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten für die Beitragsbemessung berücksichtigt (§ 240 SGB V). Dabei wird auch die Abfindung mit als Einkommen herangezogen. Wer also eine hohe Abfindung erhält, muss davon Krankenversicherungsbeiträge zahlen, wenn er freiwillig krankenversichert ist. Bei der Pflichtversicherung ist das anders. Dort werden Beiträge nur vom Arbeitseinkommen, der Rente oder sonstigen Versorgungsbezügen bzw. aus dem Arbeitslosengeld gezahlt (§§ 226 -229 SGB V).

Ob eine Pflichtversicherung besteht oder eine freiwillige Versicherung kann aber von kleinen Nuancen abhängig sein. Bereits kleine Gestaltungsfehler können hierbei gravierende Auswirkungen haben. Wer etwa bei Ende des Arbeitsverhältnisses bereits arbeitsunfähig ist und das weiter ununterbrochen bleibt, bekommt  Krankengeld und bleibt deshalb – beitragsfrei – aus dem ehemaligen Arbeitsverhältnis pflichtversichert (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Lässt man sich aber, z.B. weil noch Urlaubsansprüche bestehen, nicht weiter krankschreiben, sondern geht erst nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses und verbrauchter Urlaubsansprüche erneut zum Arzt,  ist die Pflichtversicherung mit dem letzten Tag des Arbeitsverhältnisses beendet (§ 190 Abs. 2 SGB V). Wenn nicht über den Bezug von ALG eine neue Pflichtmitgliedschaft begründet wird, schließt sich automatisch eine freiwillige Versicherung an (§ 188 Abs. 4 SGB V) mit Beitragspflicht und ohne Krankengeldanspruch.  Für die Beiträge  spielt dann wiederum die Abfindung eine Rolle.  Folge: kein Krankengeld und hohe Beiträge statt Krankengeld und beitragsfreie Versicherung!

Der Krankengeldanspruch und die beitragsfreie Mitgliedschaft enden übrigens auch dann, wenn man sich nicht rechtzeitig weiter krankschreiben lässt. Nach § 46 S. 2 SGB V, bleibt der Krankengeldanspruch nur dann erhalten, wenn die ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem Ende der  zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit festgestellt wird. Wer also erst am übernächsten Werktag wieder zum Arzt geht und die Arbeitsunfähigkeit feststellen lässt, verliert den Krankengeldanspruch und die beitragsfreie Mitgliedschaft. Er wird freiwillig versichert und muss Beiträge nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zahlen ohne weiter Krankengeld zu bekommen. Das kann gravierende wirtschaftliche Auswirkungen haben.

Abfindung und Grundsicherung – Einkommensanrechnung bei Hartz IV und Sozialhilfe

Wer kein oder nur geringes ALG oder Krankengeld und Hartz IV oder bei Erwerbsunfähigkeit Grundsicherung vom Sozialhilfeträger beziehen muss, hat besonderes Pech: Die Abfindung wird im laufenden Bezug als Einkommen angerechnet. Nur wenn man mindestens einen Monat ohne Grundsicherung oder ALG II auskommen kann, wird aus der restlichen Abfindung Vermögen. Das wird dann nicht angerechnet, wenn die jeweiligen individuellen Freibeträge nicht überschritten werden. Diese sind beim ALG 2 und bei der Sozialhilfe unterschiedlich. Auch in solchen Fällen kann eine rechtzeitige Beratung eine sinnvolle Gestaltung ermöglichen.

Fazit

Größte Vorsicht bei Aufhebungsvereinbarungen. Vor abschließenden Verhandlungen und insbesondere vor Unterschrift unter eine Aufhebungsvereinbarung immer erst fachkundigen Rat einholen. Keine Unterschrift ohne Bedenkzeit! Es drohen große wirtschaftliche Nachteile.




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