Urlaubsabgeltung und tarifliche Verfallfristen

28.06.2010  • Arbeitsrecht

Kann der Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen, wenn tarifliche Ausschlussfristen das bestimmen? Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) war das nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG) sieht das anders: Danach müssen auch Urlaubsabgeltungsansprüche innerhalb einer tariflichen Verfallfrist geltend gemacht werden. Geschieht das nicht rechtzeitig, verfallen sie, so das LAG in dem Urteil vom 23.04.2010 (10 Sa 203/10). Inzwischen so auch BAG v.09.08.2011 AZ 9 AZR 365/10.

Das Problem

Das Bundesarbeitsgericht hat bislang in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass tarifliche Verfallfristen oder Ausschlussfristen Ansprüche auf Urlaub und Urlaubsabgeltung nicht umfassen. Parallel dazu hatte das BAG in ständiger Rechtsprechung aber auch entschieden, dass Urlaubsansprüche, die wegen Krankheit nicht genommen werden konnten, spätestens am Ende des ܜbertragungszeitraums, also am 31.03. des Folgejahres  automatisch von Gesetzes wegen verfallen. Diese Rechtsprechung musste das BAG aufgrund der Entscheidung des EUGH vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 – Schultz-Hoff) mit der Entscheidung vom 24.3.2009 – 9 AZR 983/07 aufgeben.  Wir hatten darüber berichtet. Damit ergeben sich eine Reihe neuer Fragen im Urlaubsrecht, u.a. auch die nach der Anwendbarkeit tariflicher oder vertraglicher Ausschlussfristen.

Der Fall

Eine Mitarbeiterin einer groߟen Einzelhandelskette in Nordrhein-Westfalen war von 1997 bis 2008 arbeitsunfähig krank und konnte seit  ihren Urlaub nicht nehmen. Nachdem sie Erwerbsminderungsrente erhalten hatte, endete das Arbeitsverhältnis am 31.03.2008. ܜber ein Jahr später verlangte sie dann im Juni 2009 von ihrem Arbeitgeber die Abgeltung des Jahresurlaubs von 2006, 2007 und 2008. Der auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag (Einzelhandel NRW) sieht eine Ausschlussfrist von 3 Monaten zur schriftlichen Geltendmachung der Ansprüche auf Urlaub und Urlaubsabgeltung vor. Diese Frist war nicht eingehalten und der Arbeitgeber lehnte die Forderung ab.

Die Entscheidung

Zu Recht, wie das Arbeitsgericht und in der Berufung auch das LAG entschieden. Mit der Rechtsprechungsänderung des BAG zum gesetzlichen Verfall der Urlaubsansprüche sei gewissermaߟen die Geschäftsgrundlage für die Rechtsprechung zur fehlenden Anwendbarkeit tariflicher Ausschlussklauseln auf Urlaubsansprüche entfallen. Auch europarechtliche Normen stünden dem nicht entgegen, meint das LAG Düsseldorf, denn der EUGH habe diese nur so ausgelegt, dass grundsätzlich die Möglichkeit zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs bestehen bleiben müsse und das sei der Fall gewesen. Die Abgeltungsansprüche seinen mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.03.2008 fällig geworden und die Arbeitnehmerin hätte sie innerhalb der Ausschlussfrist bis zum 30.06.2008 geltend machen können. Es sei danach kein Grund ersichtlich, warum die tariflichen Ausschlussfristen nicht auch Urlaubsansprüche und Urlaubsabgeltungsansprüche umfassen sollten

Konsequenzen für die Praxis

Das LAG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Vermutlich wird also das BAG die Gelegenheit haben, seine bisherige Rechtsprechung zu bestätigen oder aufzugeben. Das Urteil ist ein weiterer Versuch, die Folgen der Rechtsprechungsänderung des BAG zum gesetzliche Urlaubsverfall einzudämmen. Es wird sicher noch einige Zeit dauern, bis sich zu den vielen Einzelfragen eine einheitliche Rechtsprechung gebildet hat. Es ist in jedem Fall dringend zu empfehlen, sofort nach Ende der Arbeitsunfähigkeit den Urlaub zu verlangen und wenn das Arbeitsverhältnis endet, ohne das Urlaub genommen werden konnte, die Urlaubsabgeltungsansprüche unverzüglich nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses schriftlich beim Arbeitgeber geltend zu machen.

Nachtrag:

Mit Urteil vom 09.08.2011 (9 AZR 365/10)  hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung geändert. Der Urlaubsabgeltungsanspruch ist danach nur noch ein reiner Geldanspruch und kann demnach auch von tariflichen Ausschlussfristen erfasst werden.




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