Urlaubsabgeltung höchstens für 18 Monate

28.03.2012  • Arbeitsrecht / Mönchengladbach

LAG Hamm folgt EUGH

Die Urlaubsabgeltung für langzeiterkrankte Arbeitnehmer auf Urlaubsabgeltung kann auf bei entsprechender Vereinbarung auf 15 Monate  beschränkt werden. Das hat das LAG Hamm entschieden. Ohne Vereinbarung ist nach 18 Monaten Schluss.

Zuvor hatte das schon der EUGH am 22.11.2011 (Rs. C-214/10) wie auch die EuGH-Generalanwältin in ihrem Schlussantrag vom 7.7.2011 zur  Rechtssache  C-214/10 – „Schulte“ angedeutet.

Das Problem

Nach der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des EuGH können Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung verlangen, wenn sie den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnten. Das Unionsrecht verlangt aber nach Auffassung der Generalanwältin und des EUGH keine zeitlich unbegrenzte Ansammlung von Urlaubs- bzw. Vergütungsansprüchen. Der ܜbertragungszeitraum kann vielmehr – in Anlehnung an das ܜbereinkommen Nr. 132 der IAO – auf 18 Monate beschränkt werden. Dieser Auffassung hat sich jetzt auch das LAG Hamm in der Rechtssache „€žSchulte“€œ angeschlossen, nachdem der EUGH die Vorlagefrage entschieden hatte.

Der Sachverhalt:
Mit seiner Klage verlangte der Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung des Urlaubs für die Jahre 2006 bis 2008. Er war in dieser zeit arbeitsunfähig und schwerbehindert. Grundlage der Berechnung war der tarifliche Urlaubsanspruch von 30 Urlaubstagen pro Jahr und fünf Tagen Schwerbehinderten-Sonderurlaub.

Das Arbeitsgericht gab der Klage teilweise statt. Auf die Berufung der Beklagten hatte das LAG Hamm das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt,

  • ob das Unionsrecht entsprechend der „Schultz-Hoff“-Entscheidung des EuGH vom 20.1.2009 (Rs. C-350/06 u. C-520/06) eine Ansammlung der Ansprüche des Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung für mehrere Jahre fordert, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer  wegen langer Arbeitsunfähigkeit den Urlaub nicht nehmen konnte, und
  • ob die Mitgliedstaaten eine zeitliche Begrenzung von 18 Monaten für diese Ansprüche vorsehen dürfen.

Die mit der Sache befasste EuGH-Generalanwältin hat in ihrem Schlussantrag vorgeschlagen, eine Begrenzung des ܜbertragungszeitraums auf 18 Monate für zulässig zu erklären. Der EUGH hat das ebenso gesehen und in dem konkreten Fall sogar die tarifliche Begrenzung auf 15 Monate für mit Europarecht vereinbar gehalten.

Die Gründe:
Grundsätzlich sind nicht genommene Urlaubsansprüche abzugelten. Der Erholungszweck des Urlaubsanspruchs erfordert aber keine jahrelange Ansammlung von Urlaubsansprüchen. Der Erholung dient der Urlaub nicht, wenn er erst Jahre später genommen wird. Eine Ansammlung von Urlaubsansprüchen über mehrere Jahre erhöht die Erholungswirkung nicht.

Weil eine unbegrenzte Urlaubsabgeltung für den Arbeitgeber sehr teuer werden kann, könnte dies zu einer möglichst frühzeitigen personenbedingten Kündigung arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer führen. Der Arbeitnehmer könnte zudem die Urlaubsabgeltung als Abfindung wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses missverstehen.

Die Generalanwältin und ihr folgend der EUGH nimmt eine Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor. Ein genereller Verfall der Ansprüche ist danach unzulässig, ebenso wie eine zeitliche Beschränkung auf 6 Monate. Eine Frist von 18 Monaten, nach deren Ablauf Urlaubs- bzw. Vergütungsansprüche erlöschen, wird dem Schutzzweck der Richtlinie 2003/88/EG gerecht. Der Arbeitnehmer hat dann bis zu zweieinhalb Jahre Zeit hat, seinen Mindesturlaub für ein bestimmtes Urlaubsjahr zu nehmen. Gleichzeitig braucht der Arbeitgeber nicht zu befürchten, dass der Urlaubsanspruch grenzenlos angesammelt werden kann.

Dem ist das LAG Hamm konsequenterweise jetzt auch gefolgt und hat aufgrund der tariflichen Regelung im Metalltarifvertrag einen Verfall nach 15 Monaten angenommen.

Für den Fall des MTV Einzelhandels in NRW hatte das LAG Hamm schon am 12.1.2012 (Az.: 16 Sa 1352/11) entschieden, dass hier Urlaubsansprüche langjährig arbeitsunfähiger Arbeitnehmer erst spätestens 18 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen, wenn sie bis dahin nicht genommen werden konnten.

Anders als der der Metall- und Elektroindustrie enthält der MTV Einzelhandel in NRW anders keine eigenständigen Regelungen für den Verfall des den gesetzlichen Urlaub übersteigenden Urlaubs. Deshalb will das LAG über eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung des Bundesurlaubsgesetzes dieses so auslegen, dass an die Stelle des dreimonatigen ܜbertragungszeitraums entsprechend der europarechtlich zu beachtenden Regelung von Art. 9 Abs. 1 des ܜbereinkommens Nr. 132 ILO ein 18-monatiger ܜbertragungszeitraum tritt.

Fazit

In der Praxis wird man sich darauf einstellen müssen, dass mit diesen Entscheidungen des EUGH und des LAG Hamm der ܜbertragungszeitraum für Urlaubsabgeltungsansprüche auf längstens 18 Monate nach Ende des Urlaubsjahres beschränkt ist. Es ist nicht damit zu rechnen, dass das BAG diese Frage wesentlich anders entscheiden wird.




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