Urlaub nur für 2 Jahre bei Dauererkrankung

08.08.2012  • Allgemein / Arbeitsrecht / Mönchengladbach

Urlaub und Urlaubsabgeltung gibt es bei Dauererkrankung nur für längstens 2 Jahre.  15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres verfallen die Ansprüche. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 7.8.2012 entschieden. Langzeiterkrankte Arbeitnehmer können daher den Urlaubsanspruch nicht über Jahre ansammeln und dann nach Ende der Arbeitsunfähigkeit nehmen oder bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sich auszahlen lassen. Das gilt für gesetzliche Urlaubsansprüche genau so wie für Tarifurlaub. Wer bis zum 31.März des übernächsten Jahres den Urlaub nicht genommen hat, geht leer aus. Andererseits kann der Urlaubsanspruch auch dann entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis ruht.

Das BAG (Urteil vom 7.8.2012, 9 AZR 353/10) hatte wohl Sehnsucht nach einer klaren und eindeutigen Regelung und hat sich dabei ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt. Gegen den Wortlaut hat es §7 Abs. 3 Satz 3 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) so ausgelegt, dass der Urlaubsverfall nicht am 31.3. des Folgejahres, sondern erst ein Jahr später eintritt. Nach der Rechtsprechung des EUGH ist die Begrenzung der Urlaubsübertragung auf den 31.März des Folgejahres europarechtswidrig, gegen eine tarifvertragliche Beschränkung auf 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres hatte der EUGH aber keine Einwände (Urteil vom 22.11.2011 (Rs. C-214/10 -€“ KHS). Das hat das BAG jetzt verallgemeinert und auf die gesetzliche Regelung übertragen. In der Pressemitteilung heiߟt es dazu:

 „€žJeder Arbeitnehmer hat nach § 1 BUrlG in jedem Kalenderjahr auch dann Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, wenn er im gesamten Urlaubsjahr arbeitsunfähig krank war. Dies gilt auch, wenn der Arbeitnehmer eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat und eine tarifliche Regelung bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis während des Bezugs dieser Rente auf Zeit ruht. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch steht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien. Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, wonach im Fall der ܜbertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt. Der EuGH hat in der KHS-Entscheidung vom 22. November 2011 seine Rechtsprechung bezüglich des zeitlich unbegrenzten Ansammelns von Urlaubsansprüchen arbeitsunfähiger Arbeitnehmer geändert und den Verfall des Urlaubs 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres nicht beanstandet“€œ

 Bedeutung für die Praxis

Auch wenn das BAG mit dieser Entscheidung womöglich die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung überschritten hat, dürfte das Urteil für die Praxis Klarheit schaffen. In kurzer Zeit hat das BAG damit seine gesamte Urlaubsrechtsprechung erneuert und jetzt wohl die wesentlichen Streitpunkte geklärt.  Damit gilt wohl zukünftig:

  1. Langzeiterkrankte Arbeitnehmer können für das laufende und das vergangene Urlaubsjahr, also insgesamt für 2 Jahre den Urlaub ansammeln.
  2. Auch wenn das Arbeitsverhältnis  ruht, z.B. wegen einer zeitlich befristeten Erwerbsminderungsrente, entstehen Urlaubsansprüche.
  3. Vertragliche und tarifliche Ausschlussfristen gelten auch für Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche (BAG vom 09.08.2011 – 9 AZR 365/10); in der Regel müssen sie innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Fristbeginn ist entweder das Ende der Arbeitsunfähigkeit für den Urlaubsanspruch oder das Ende des Arbeitsverhältnisses für den Abgeltungsanspruch.



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