Sperrzeit bei Umzug zum Lebensgefährten?

18.10.2007  • Arbeitsrecht / Sozialrecht

Eheähnliche Gemeinschaft nur bei gemeinsamer Wohnung, aber Kindeswohl kann Umzug rechtfertigen

Wer seine Arbeit aufgibt und dafür keinen wichtigen Grund hat, muߟ mit einer Sperrzeit rechnen, wenn er danach Arbeitslosengeld beantragt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 17.10.2007 (B 11a/7a AL 52/06 R) entschieden, dass allein der Wunsch, zu seinem Lebensgefährten zu ziehen, um eine eheähnlliche Gemeinschaft zu begründen, kein wichtiger Grund sei, der eine Sperrzeit ausschlieߟe. Eine eheähnliche Gemeinschaft setze stets voraus, dass man auch in einer gemeinsamen Wohnung wohne; deshalb, so das BSG, könne es eine eheähnliche Gemeinschaft nicht geben, wenn jeder Partner seine eigene Wohnung habe. Allerdings könne es einen wichtigen Grund darstellen, wenn das Wohl des Kindes den Umzug erfordere, und zwar auch dann, wenn der Lebensgefährte nicht der leibliche Vater des Kindes sei.

Der konkrete Fall:

Die Klägerin war als Verkäuferin in Heidenheim beschäftigt. Sie kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 31.8.2004 , um mit ihrer 14-jährigen Tochter zu ihrem Verlobten nach Gladbeck zu ziehen. Die beiden hatten sich im Jahr 2001 kennengelernt. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag auf Alg ab 1.9.2004 für einen Zeitraum von zwölf Wochen ab, weil eine Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe eingetreten sei. Dagegen hatte die Klägerin geklagt und schon beim Sozialgericht Gelsenkirchen – S 20 AL 56/05 – gewonnen. Das Landessozialgericht (LSG Nordrhein-Westfalen – L 19 AL 193/05) hat die Berufung der Beklagten (Arbeitsamt) zurückgewiesen: Die Klägerin könne sich für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses auf einen wichtigen Grund berufen. Zwar sei ein konkreter Hochzeitstermin noch nicht absehbar gewesen. Zwischen der Klägerin und ihrem Verlobten habe jedoch bereits zum Zeitpunkt der Kündigung auch ohne das Vorhandensein einer gemeinsamen Wohnung eine eheähnliche Gemeinschaft bestanden. Der Umzug habe auch auch der Herstellung einer Erziehungsgemeinschaft gedient.

Dagegen hat die Bundesagentur für Arbeit Revision eingelegt und sich u.a. darauf berufen, die Rechtsauffassung des LSG verstoߟe eklatant gegen die Rechtsprechung des BSG beim Zuzug zum nichtehelichen Lebenspartner. Es sei weder die Voraussetzung einer Eltern-Kind-Beziehung noch einer Vorwirkung einer eheähnlichen Gemeinschaft erfüllt.

Das BSG hat den Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen. Im Terminsbericht des BSH heiߟt es dazu:

„Entgegen der Rechtsansicht des LSG gehört das Innehaben einer gemeinsamen Wohnung zu den notwendigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft. Deshalb kann der Zuzug zum nichtehelichen Lebenspartner zwecks erstmaliger Begründung einer eheähnlichen Gemeinschaft keinen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses iS des Sperrzeitrechts begründen. Indes kann die erstmalige Herstellung einer ernsthaften und auf Dauer angelegten Erziehungsgemeinschaft, dh der Zuzug der Klägerin mit dem minderjährigen Kind zum nichtehelichen Partner, einen wichtigen Grund bilden, wenn Gründe des Kindeswohls dies erfordern, insbesondere eine Verbesserung der Unterbringung, Verpflegung oder Betreuung des Kindes gewährleistet ist. Der Senat erweitert insoweit die bisherige Rechtsprechung des BSG, wonach bisher nur der Zuzug zum Vater oder der Mutter eines gemeinsamen Kindes einen wichtigen Grund im Sinne des Sperrzeitrechts darstellen kann. Der Rechtsstreit war insoweit zwecks weiterer Feststellungen zurückzuverweisen. “

Kommentar:

Die Entscheidung macht deutlich, wie differenziert die Rechtsprechung mitunter ist. Einerseits ist nachvollziehbar, dass die Anforderungen an einen wichtigen Grund nicht zu niedrig sein dürfen, um die Versichertengemeinschaft nicht übermäߟig zu belasten. Immerhin kann man sich grundätzlich auch am neuen Wohnort einen neuen Job suchen, bevor man umzieht. Andererseits ist nicht einzusehen, warum nicht auch eine eheähnliche Gemeinschaft bestehen soll, wenn die Partner in verschiedenen Wohnungen an verschiedenen Orten wohnen. Auch in Ehen ist ein Wohnen in getrennten Wohnungen möglich und kommt durchaus vor. Wochenendbeziehungen mit und ohne Trauschein sind gerade auch unter dem Gesichtspunkt der immer mehr geforderten Flexibilität und Mobilität der Arbeitnehmer oft nicht zu vermeiden. Deshalb ist der Begründungsansatz des BSG nicht wirklich überzeugend. Wie wäre es beispielsweise, wenn beide Partner zusammen 2 Wohnsitze haben, sie also wechselseitig etwa mit Zweitwohnsitz am jeweiligen Hauptwohnort des Partners gemeldet sind und mal das Wochenende hier und mal da verbringen? Kann auch dann keine eheähnliche Gemeinschaft bestehen? Vermutlich würde in einem solchen Fall eine erneute Differenzierung vorzunehmen sein. Insoweit wird das BSG auch über eine solche Fallgestaltung noch zu befinden haben.




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