Neue Urlaubsregelung bei Dauerkrankung
Was geschieht bei lang andauernder Krankheit und Arbeitsunfähigkeit mit dem Urlaub? Die Antwort: Es gibt auch dann Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn der Urlaub wegen einer krank-heitsbedingten Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums
nicht genommen werden kann.
Das gilt aber nicht bei noch bestehendem Arbeitsverhältnis. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in zwei Urteilen entschieden und damit seine jahrelange Rechtsprechung zum Verfall des Urlaubsabgeltungsanspruchs aufgegeben. Auslöser hierfür war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
» Das Problem
Die Klägerin in einem der Verfahren war seit August 2005 bei dem Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Im Juni 2006 erlitt sie einen Schlaganfall und war bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.01.2007 und darüber hinaus durchgehend arbeitsunfähig. Mit ihrer Klage verlangte sie vom Beklagten unter anderem die Abgeltung der gesetzlichen Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. ArbG und LAG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob das BAG die Vorentscheidungen auf und gab diesen Teilen der Klage statt.
In einem anderen Verfahren war der Kläger, ein Kraftfahrer, ebenso dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Er hatte im Februar 2005 einen Arbeitsunfall erlitten und war seitdem über den 31.03.2006 hinaus arbeitsunfähig. Allerdings war das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Der Kläger hatte mit der Klage ursprünglich Urlaubsabgeltung verlangt und später nach einem Hinweis des Gerichts das tarifliche Urlaubsgeld. Wie auch schon in den Vorinstanzen blieb der Kläger auch beim BAG ohne Erfolg.
» Die Entscheidung
Nach der Entscheidung des EuGH vom Januar 2009 konnte das BAG an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festhalten.
Nun gilt, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht automatisch erlischt, wenn der Urlaub wegen der Krankheit des Arbeitnehmers bis zum Ende des Übertragungszeitraumes nicht genommen werden kann.
» Die Einschränkung
Allerdings: Die Entscheidung des BAG betrifft zunächst nur den Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr und nicht einen tariflich oder einzelvertraglich vereinbarten Mehrurlaub. Dennoch werden die meisten arbeitsvertraglichen Regelungen einen einheitlichen Urlaubsanspruch beinhalten, so dass auch der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaubsanspruch genauso behandelt werden muss und nicht verfällt.
In der zweiten Entscheidung vom 19.05.2009 hat das BAG allerdings klargestellt, dass die Rechtsprechungsänderung nicht uneingeschränkt gilt, wenn das Arbeitsverhältnis noch besteht. Ob das nach Auffassung des BAG bedeutet, dass in diesen Fällen der Urlaub doch verfällt oder er nur derzeit noch nicht abgegolten werden kann, ergibt sich möglicherweise aus der vollständigen Begründung. Diese lag bei Verfassen dieses Beitrages noch nicht vor.
» Das Fazit
Arbeitnehmer sollten ihre Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche am besten noch während des laufenden Urlaubsjahres geltend machen. Spätestens sollte dies schriftlich geschehen sofort nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit auch bei langer Arbeitsunfähigkeit.
Tarifliche oder vertragliche Ausschlussfristen könnten sonst zu einem Verfall der Ansprüche führen. Arbeitgeber müssen sich auf höhere Kosten bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern einstellen.
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