Kündigungsschutzklage verhindert Verfall des Annahmeverzugslohns

24.06.2008  • Arbeitsrecht

Bundesarbeitsgericht ändert Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen
In vielen Arbeitsverhältnissen bestimmen Verfallklauseln, innerhalb welcher Ausschlussfristen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erhoben werden müssen. Bei zweistufigen Ausschlussfristen müssen Ansprüche nicht nur „meist schriftlich – geltend gemacht (1. Stufe), sondern zusätzlich bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeklagt sein (2. Stufe) oder sie verfallen. Für den Anspruch auf Verzugslohn eines unwirksam gekündigten Arbeitnehmers „das ist der Lohn für die Zeit nach der vermeintlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der unwirksamen Kündigung, in der meist keine Arbeitsleistung erbracht wurde, verlangte das Bundesarbeitsgericht (BAG) bislang eine separate Lohnzahlungsklage. Jetzt reicht nach dem Urteil des BAG vom 19.3.2008 (5 AZR 429/07) dazu die Erhebung der Kündigungsschutzklage. Der Arbeitnehmer muss keine gesonderte Leistungsklage mehr erheben, um die Verfallfrist einzuhalten.
Der Fall:
Der Arbeitgeber hatte im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer folgende Ausschlussfristen vorgesehen:
„€žAlle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschlieߟenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle ihrer Ablehnung durch die Gegenseite binnen einer Frist von drei Monaten einzuklagen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.“€œ
Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis und der Arbeitnehmer gewann die Kündigungsschutzklage. Das Arbeitsverhältnis bestand damit fort und der Arbeitnehmer machte Annahmeverzugsvergütung für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist geltend. Er hatte die einzelnen Monatsvergütungen allerdings nicht innerhalb der zweistufigen Ausschlussfrist schriftlich geltend gemacht und auch nicht rechtzeitig eine bezifferte Leistungsklage auf Zahlung der Vergütungen erhoben. Der Arbeitgeber meinte deshalb, die Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers seien verfallen.
Die Entscheidung:
Das Bundesarbeitsgericht gab dem Arbeitnehmer Recht. Die Ansprüche waren nicht verfallen. Damit hat das BAG seine Rechtsprechung geändert.
Bisher hatte das BAG nämlich immer entschieden, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage für alle mit der Kündigung zwingend zusammen hängenden Ansprüche (wie z.B. Verzugslöhne) nur die erste Stufe einer zweistufigen Ausschlussfrist wahrt (z.B. BAG 26.4.2006, 5 AZR 403/05). Die zweite Stufe konnte aber nur durch Erhebung einer bezifferten Leistungsklage eingehalten werden.
Für Ausschlussfristen aus vorformulierten Arbeitsverträgen hat das Bundesarbeitsgericht nun seine Rechtsprechung geändert: Das BAG begründet diese neue Rechtsprechung mit dem Transparenzgebot nach § 305c Abs. 2 BGB. Im Arbeitsvertrag stand, dass Ansprüche erst schriftlich geltend gemacht und dann eingeklagt werden müssen. Für den durchschnittlichen, nicht rechtskundigen Arbeitnehmer heiߟt das „so das BAG, dass jede gerichtliche Auseinandersetzung über die Ansprüche im weiteren Sinne ausreichend ist, er also durch Erhebung der Kündigungsschutzklage auch Verzugsvergütungen i. S. einer Ausschlussfrist „€žeinklagt“.
Wenn der Arbeitgeber will, dass der Arbeitnehmer parallel zum Kündigungsschutzprozess die fälligen (noch unsicheren) Monatsvergütungen innerhalb bestimmter Fristen einklagt, muss er dies nach Ansicht des BAG ausdrücklich regeln. Allerdings ist es sehr gut möglich, dass diese Klausel dann gegen das Verbot der unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers verstoߟen könnte (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).Das deutet das BAG an.
Konsequenzen für die Praxis:
Die Rechtsprechungsänderung bezieht sich nur auf Ausschlussfristen, die in vorformulierter Indivudualarbeitsverträgen verwendet werden. Für tarifvertragliche Verfallklauseln gelten die Kontrollregeln der §§ 305ff. BGB nicht. Bei tarifvertraglichen zweistufigen Ausschlussfristen wird es weiterhin eine Frage der konkreten Auslegung sein, ob der Arbeitnehmer Verzugslöhne immer durch eine separate Leistungsklage einklagen muss.
Auch wenn danach die Kündigungsschutzklage den Verfall von Verzugslohnansprüchen generell hindern könnte, ist eine genaue Analyse der arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Ausschlussregeln sinnvoll und notwendig, um Rechtsnachteile zu vermeiden.




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