Kostenfreie Familienversicherung für Unternehmerinnen
Das Problem
In der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind Familienangehörige ohne eigenes Arbeitseinkommen beitragsfrei mitversichert. Das gilt aber nicht, wenn sie hauptberuflich selbständig sind. Oft werden vor allem kleinere Betriebe auf den Namen der Ehefrau angemeldet. Der allein im Betrieb tätige Ehemann wird angestellt. Das kann steuerliche Vorteile haben und den sozialversicherungsrechtlichen Schutz des Ehemannes sichern. Der ist dann u.a. auch gegen Arbeitslosigkeit versichert. Ist dann aber die Ehefrau hauptberuflich selbständig, kann sie nicht beitragsfrei in der Familienversicherung mitversichert sein. Das ist nachteilig.
Die BSG-Entscheidung zur Familienversicherung
Das Bundessozialgericht hat in einem aktuellen Urteil (BSG, Urteil v. 29.2.2012, B 12 KR 4/10 R) aber klargestellt, dass Krankenkassen und Rentenversicherungsträger nicht ohne weiteres eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit annehmen dürfen, wenn die Ehefrau ausschließlich Gesellschafterin ist, aber im Betrieb nicht mitarbeitet.
In der Entscheidung ging es um einen Groß- und Einzelhandel im Sanitär- und Heizungsbereich. Die Firma wurde als GmbH & Co KG betrieben. Der Mann leitete die Firma als allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer, seine Ehefrau war alleinige Kommanditistin der GmbH & Co KG und Alleingesellschafterin der Komplementär-GmbH. Die Ehefrau hielt sämtliche Geschäftsanteile allein aus steuerlichen Gründen. außer dem Ehemann waren 4 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Krankenkasse des Mannes lehnte die Familienversicherung der Ehefrau ab, weil sie hauptberuflich selbstständig erwerbstätig sei.
Anders als die Vorinstanzen hat das BSG die Familienversicherung der Ehefrau bestätigt. Wer nur seine Pflichten als Gesellschafter wahrnimmt, aber nicht im Unternehmen mitarbeitet, ist nicht hauptberuflich selbstständig erwerbstätig, meint das BSG. Es ist schon fraglich, ob in der bloßen Ausübung von Gesellschafterrechten überhaupt eine selbstständige Erwerbstätigkeit liegt, meint das BSG. Jedenfalls habe die Tätigkeit nicht einen solchen Umfang, der sie zur hauptberuflichen Erwerbstätigkeit mache. Hauptberuflich ist eine Erwerbstätigkeit nämlich nicht schon dann, wenn es sich um die einzige Erwerbstätigkeit handelt, sondern nur, wenn sie mehr als halbtags ausgeübt wird (so schon BSG v. 10.03.1994 12 RK 3/94).
Eine hauptberufliche Selbstständigkeit ließ sich auch nicht daraus herleiten, dass im Unternehmen mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt war. Diese Auffassung vertreten die Spitzenverbände der Krankenkassen. Für eine solche Annahme fehle es aber an einer Rechtsgrundlage im Gesetz, meint das BSG.
Praktische Bedeutung
Die Entscheidung dürfte große praktische Bedeutung haben. Ähnliche Konstellationen sind in der Praxis häufig. Bislang war hierbei der Weg in die Familienversicherung versperrt. Das dürfte sich jetzt ändern, jedenfalls in den Fällen, in denen die die Firma keinen nennenswerten Gewinn abwirft. Die Familienversicherung ist nämlich auch dann ausgeschlossen, wenn ein Gesamteinkommen erzielt wird, das monatlich z.Zt. 364 EUR (bei geringfügiger Beschäftigung 400 EUR) übersteigt.
Wer eine solche Gestaltung erwägt, sollte neben den steuerlichen Aspekten vor allem auch die sozialversicherungsrechtlichen Folgen bedenken und sich fachkundig beraten lassen. Auch in der Vergangenheit liegende Sachverhalte müssen möglicherweise neu bewertet werden. Insoweit wäre zu prüfen, ob nicht rückwirkend die Familienversicherung durchzuführen ist. Das kann zu erheblichen Beitragserstattungen führen.
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