Klarstellung des BAG: Auch Schwerbehindertenzusatzurlaub verfällt nicht bei Krankheit
Auch Schwerbehindertenzusatzurlaub verfällt nicht bei Krankheit
Wie auch der gesetzliche Mindesturlaub verfällt nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23.03.2010 (9 AZR 128/09) der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nicht. Anders der Urlaubsanspruch, der sich aus einem geltenden Tarifvertrag ergibt; dieser erlischt, soweit er den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen (4 Wochen) übersteigt, wenn der Arbeitnehmer nach Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums nicht wieder arbeitsfähig wird.
Zur Erinnerung (vgl. dazu den Beitrag hier vom 11.06.2009): Das BAG hatte in jahrelanger ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass der Urlaub vollständig verfällt, wenn der Arbeitnehmer ihn bis zum Übertragungszeitraum (31.3. des Folgejahres) nicht mehr nehmen konnte, z.B. weil er arbeitsunfähig war. Das sollte auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch so sein. Diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof (EUGH) als mit Europarecht unvereinbar erklärt (EuGH vom 20.01.2009 (Rs.: C-350 u. 520/06, „Schultz-Hoff“). Daraufhin hatte das BAG seine Rechtsprechung geändert und für den gesetzlichen Mindesturlaub sich dem EUGH angeschlossen - BAG vom 24.03.2009 (9 AZR 983/07) und 19.05.2009 (9 AZR 477/07).
Die Entscheidung
Der schwerbehinderte Kläger war seit langen Jahren bei dem gleichen Arbeitgeber beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis galt ein Tarifvertrag. Dieser sah über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehenden Urlaub vor. Der Kläger war September 2004 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses am 30.09.2005 arbeitsunfähig. Im Mai 2005 hatte er erfolglos den Urlaub für das Jahr 2004 verlangt.
Der Kläger hat mit seiner Klage Ansprüche auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des tariflichen Mehrurlaubs für die Jahre 2004 und 2005 geltend gemacht.. Das Landesarbeitsgericht hat den Arbeitgeber zur Abgeltung der Mindesturlaubsansprüche in zweiter Instanz verurteilt. Das hat dieser hingenommen. In der Revision ging es nur noch um die Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs und des den gesetzlichen Urlaub übersteigenden Tarifurlaubs
Das BAG hat der Klage wegen des Schwerbehindertenzusatzurlaubs stattgegeben, nicht aber wegen des tariflichen Zusatzurlaubs..Nach Auffassung des BAG muss der vierwöchige gesetzliche Mindesturlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch dann finanziell abgegolten werden, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig krank ist. Der Anspruch auf Abgeltung des Schwerbehindertenzusatzurlaubs sei genauso zu behandeln wie der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch. Er bestehe bei Arbeitsunfähigkeit deshalb ebenso wie der Anspruch auf Abgeltung des Mindesturlaubs weiter.
Davon abweichend könnten die Tarifvertragsparteien dagegen bestimmen, dass der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende tarifliche Urlaubsabgeltungsanspruch erlischt, wenn der Urlaubsanspruch wegen der Krankheit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden kann. Diese Ansprüche gingen dementsprechend nach dem erkennbaren Willen der Tarifvertragsparteien am Ende des tariflichen Übertragungszeitraums unter.
Fazit
Wenn aus den vertraglichen oder tariflichen Bestimmungen erkennbar ist, dass die den gesetzlichen Urlaubsanspruch übersteigenden Urlaubsansprüche anders behandelt werden sollen, als die gesetzlichen Ansprüche, können diese verfallen. Das unterliegt der Verfügungsbefugnis der Vertragsparteien. Das muss aber eindeutig aus den Vereinbarungen hervorgehen. Insoweit ist eine spezielle Auslegung der einzelnen Bestimmungen in jedem Einzelfall erforderlich
BAG 9 AZR 128/09
Vorinstanz
LArbG Düsseldorf, Urt. v. 02.02.2009 – 12 Sa 486/06
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