Frage nach Schwerbehinderung zulässig?

22.02.2012  • Arbeitsrecht / Mönchengladbach

Zumindest im laufenden Arbeitsverhältnis darf der Arbeitgeber nach einer bestehenden Schwerbehinderung fragen. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden (Urteil vom 16. Februar 2012 – 6 AZR 553/10 –). Voraussetzung ist: Das Arbeitsverhältnis hat wenigstens sechs Monate bestanden. Nach sechs Monaten beginnt der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte.

Das Problem

Nur wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung eines Arbeitnehmers weiߟ, kann er die Beschäftigungsquote erfüllen, den Zusatzurlaub gewähren und den besonderen Kündigungsschutz beachten.  Deswegen sollte nach der früheren Rechtsprechung des BAG die Frage bereits bei der Einstellung zulässig sein (BAG, Urt. vom 05.10.1995 -2AZR 923/94). Im Zweifel wird allerdings der Arbeitgeber einen Bewerber gar nicht erst einstellen, wenn er schwerbehindert ist. Besonders seit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im Jahr 2006 wird diese Rechtsprechung deshalb überwiegend für falsch gehalten. Das BAG hatte deshalb im Sommer 2011 zuletzt offen gelassen, ob es an dieser Rechtsprechung festhält (BAG, Urt. vom 07.07.2011 – 2 AZR 396/10). Nach der Pressemitteilung vom 16.02.2011 bleibt es jedenfalls im laufenden Arbeitsverhältnis offenbar dabei, dass die Frage zulässig ist.

Die Entscheidung

Der schwerbehinderte Kläger hatte einen befristeten Arbeitsvertrag und  die Frage des Arbeitgebers (der war pleite und deshalb hatte der Insolvenzverwalter gefragt) nach einer bestehenden Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint. Als der Insolvenzverwalter kündigte, hat der Arbeitnehmer dann erstmals mit der Kündigungsschutzklage seine Schwerbehinderung offenbart und sich auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes zu der Kündigung berufen. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung eines Schwerbehinderten unwirksam. Das hielt das BAG wie auch zuvor schon das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm für unzulässig. Wegen widersprüchlichen Verhaltens könne sich der Kläger nach § 242 BGB in diesem Fall nicht auf den Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen berufen. Die Frage diskriminiere weder behinderte Arbeitnehmer noch stünden datenschutzrechtliche Belange der Zulässigkeit der Frage entgegen, meint das BAG.

Praktische Bedeutung der Entscheidung

Es lässt sich noch nicht absehen, ob diese Entscheidung eine Einzelfallentscheidung wegen der besonderen Umstände ist oder ob sie generell eine Tendenz aufzeigt, dass das BAG seine frühere Rechtsprechung aufrecht erhalten will. Es spricht aber manches dafür, dass es die Frage nach der Schwerbehinderung generell im laufenden Arbeitsverhältnis für zulässig hält, wenn der besondere Kündigungsschutz bereits besteht, also nach Ablauf der Wartezeit. Das mag in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis vielleicht nicht zu Nachteilen für den Arbeitnehmer führen, ist aber im befristeten Arbeitsverhältnis problematisch, weil der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf eine Verlängerung der Befristung oder Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hat. Der besondere Kündigungsschutz greift bei Auslaufen der Befristung nämlich nicht. Deshalb kann es dann doch zu einer Diskriminierung kommen. Ob man das dann über eine Beweislastumkehr im Rahmen einer Schadensersatzklage wegen Diskriminierung nach § 15 AGG lösen kann, wonach zunächst vermutet wird, das die Behinderung Grund für die fehlende Verlängerung des Vertrages ist, scheint fraglich. Für eine endgültige Einordnung und Bewertung des Urteils wird man die Urteilsbegründung abwarten müssen.




Weitere Artikel des Autors:

Beiträge und Kommentare geben die persönliche Auffassung der jeweiligen Autoren wieder, welche nicht unbedingt der Auffassung der SWPMG entspricht. Sie dienen lediglich der Information und Diskussion, d.h. stellen keine Rechtsberatung dar und dürfen nicht als Entscheidungsgrundlage in konkreten Rechtsfällen verwendet werden.