Formfehler kippt Kündigungsschutz bei Elternzeit

24.05.2016  • Arbeitsrecht / Mönchengladbach / Sozialrecht

Formale Fehler können den Kündigungsschutz in der Elternzeit gefährden. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Wenn das Elternzeitverlangen nicht schriftlich erfolgt ist, besteht kein Kündigungsschutz – BAG, 10.05.16 – 9 AZR 145/15.

Elternzeit muss schriftlich verlangt werden

Wer Kinder erzieht, kann von seinem Arbeitgeber Elternzeit verlangen. Das weiß heute jeder. Welche Formalien dabei zu beachten sind, ist aber vielen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht bewusst. § 16 Abs. 1Satz 1 BEEG schreibt nämlich u.a. vor, dass das Elternzeitverlangen schriftlich erfolgen muss. Eine mündliche Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber reicht also nicht. Was ist aber mit Telefaxschreiben oder Email? Nach der Entscheidung des BAG genügt auch das nicht, weil das Gesetz ausdrücklich Schriftform vorschreibt. Und das ist nach § 126 Abs. 1 BGB nur das Original eines vom Arbeitnehmer unterzeichneten Schriftstücks. Die Kopie einer solchen Urkunde, wie sie etwa auch ein Telefax darstellt, erfüllt die Schriftform nicht. Es muss das Original vorgelegt werden. Auch eine E-Mail enthält keine eigenständige Unterschrift und reicht deshalb nicht aus, um die Schriftform zu wahren. Für solche Schriftstücke gibt es den Begriff Textform (§ 126b BGB). Da im BEEG aber nicht von Textform die Rede ist, sondern von Schriftform, muss eine eigenhändig unterschriebene Erklärung im Original vorgelegt werden.

Formfehler verhindert Kündigungsschutz

Wie das BAG entschieden hat, führt ein nicht ordnungsgemäßes Elternzeitverlangen dazu, dass gar keine Elternzeit besteht und damit auch der besondere Kündigungsschutz nach § 18 BEEG nicht gilt. In dem entschiedenen Fall war es so, dass die Arbeitnehmerin, eine Rechtsanwaltsfachangestellte, ihrem Arbeitgeber, einem Rechtsanwalt, per Telefax das Elternzeitverlangen übermittelt hatte. Der Arbeitgeber hat das Arbeitsverhältnis dann gekündigt und die Kündigungsschutzklage hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des BAG wahrt ein Telefax oder eine E-Mail die gesetzlich vorgeschriebene Schriftform nicht. Das hat zur Folge, dass nach § 125 BGB die Erklärung nichtig ist und weder Elternzeit noch Kündigungsschutz besteht.

Ausnahmen nach Treu und Glauben

Grundsätzlich kann es aber Situationen geben, in denen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der Arbeitgeber sich auf die Nichtigkeit der Elternzeiterklärung nicht berufen kann. Im entschiedenen Fall kann man durchaus daran denken, dass ein Rechtsanwalt seine Mitarbeiterin auf etwaige Formfehler hinweisen muss. Das BAG hat das nicht getan, obwohl die Kündigung erst fast fünf Monate nach dem unwirksamen Elternzeitverlangen erklärt worden ist. Es spricht manches dafür, dass durch diese lange Zeit der Arbeitgeber doch den Eindruck vermittelt hat, dass er von einem wirksamen Elternzeitverlangen ausgeht. Dann könnte es durchaus treuwidrig sein, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen. Warum das im konkreten Fall nicht so war, ergibt sich aus der Pressemitteilung des BAG nicht.

Folgerungen für die Praxis

Das Elternzeitverlangen muss schriftlich erfolgen. Telefax oder Email reichen nicht. Es ist empfehlenswert, sich den Empfang auf einer Kopie quittieren zu lassen, weil auch der Zugang nachgewiesen werden muss. Anderenfalls droht der Verlust des Arbeitsplatzes. Beruft sich ein Arbeitgeber auf die Formnichtigkeit der Elternzeiterklärung ist es auf jeden Fall sinnvoll, die genauen Umstände darauf überprüfen zu lassen, ob evtl. ein treuwidriges Verhalten des Arbeitgebers vorliegt. Insbesondere wenn der Eindruck erweckt worden ist, dass Elternzeit besteht, dürfte es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Arbeitgeber sich auf die Formnichtigkeit des Elternzeitverlangens beruft.

 




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