Fehlende Auskunft Indiz für Diskriminierung?

25.04.2012  • Allgemein / Arbeitsrecht / Mönchengladbach

Auskunftsverweigerung gegenüber erfolglosen Bewerbern kann Indiz für Diskriminierung sein

Das hat der EUGH am 19.04.2012 entschieden. Erfolglose Bewerber haben danach zwar keinen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber über den eingestellten Bewerber und die Auswahlkriterien. Die Verweigerung von Informationen kann aber eine Diskriminierung vermuten lassen. Der Arbeitgeber muss dann beweisen, dass keine Diskriminierung vorliegt (Beweislastumkehr) EuGH 19.4.2012, Rs. C-415/10 („Meister“)

Der EUGH bekräftigt seine Rechtsprechung, dass ein Auskunftsanspruch des abgelehnten Bewerbers nicht besteht, allerdings soll es dem Arbeitgeber nicht so leicht gemacht werden, eine etwaige Diskriminierung zu vertuschen. Der EUGH bestätigt ausdrücklich, dass alle Erkenntnisse über eine mögliche Diskriminierung berücksichtigt werden müssen. Das können auch statistische Erkenntnisse sein, worauf das Gericht ausdrücklich hinweist, aber auch das Verhalten während des Prozesses. Dazu zählt insbesondere auch die Verweigerung jeglicher Information über das Bewerbungsverfahren und den angeblich besser qualifizierten Bewerber.

In der Pressemitteilung schreibt der EUGH dazu u.a.:

„€žDer Gerichtshof bestätigt sodann seine Rechtsprechung3, wonach das Unionsrecht für eine Person, die sich für diskriminiert hält, keine spezifische Möglichkeit der Einsichtnahme in Informationen vorsieht, um sie in die Lage zu versetzen, die Tatsachen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, glaubhaft zu machen. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass eine Verweigerung von Informationen durch den Beklagten im Rahmen des Nachweises solcher Tatsachen die Verwirklichung des verfolgten Ziels beeinträchtigen und insbesondere dem Unionsrecht seine praktische Wirksamkeit nehmen kann.

Der Gerichtshof hält diese Rechtsprechung für auf den vorliegenden Fall übertragbar, da der Unionsgesetzgeber trotz der Entwicklungen der Rechtsvorschriften die Beweislastregelung nicht ändern wollte. Daher hat das deutsche Gericht darüber zu wachen, dass die Auskunftsverweigerung durch Speech Design nicht die Verwirklichung der mit dem Unionsrecht verfolgten Ziele zu beeinträchtigen droht. Es hat insbesondere bei der Klärung der Frage, ob genügend Indizien vorhanden sind, um die Tatsachen, die das Vorliegen einer solchen Diskriminierung vermuten lassen, als nachgewiesen ansehen zu können, alle Umstände des Rechtsstreits zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang weist der Gerichtshof darauf hin, dass nationale Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten vorsehen können, dass eine Diskriminierung mit allen Mitteln, einschlieߟlich statistischer Beweise, festzustellen ist.

Zu den Gesichtspunkten, die in Betracht gezogen werden können, gehört insbesondere der Umstand, dass Speech Design Frau Meister jeden Zugang zu den Informationen verweigert zu haben scheint, deren ܜbermittlung sie begehrt. Darüber hinaus können auch die Tatsache herangezogen werden, dass der Arbeitgeber nicht bestreitet, dass die Qualifikation von Frau Meister den Anforderungen in der Stellenanzeige entspricht, sowie der Umstand, dass Speech Design sie gleichwohl nach Veröffentlichung der beiden Stellenausschreibungen nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat.

Der Gerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass das Unionsrecht dahin gehend auszulegen ist, dass es für einen Arbeitnehmer, der schlüssig darlegt, dass er die in einer Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllt, und dessen Bewerbung nicht berücksichtigt wurde, keinen Anspruch auf Auskunft darüber vorsieht, ob der Arbeitgeber am Ende des Einstellungsverfahrens einen anderen Bewerber eingestellt hat.

Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass die Verweigerung jedes Zugangs zu Informationen durch einen Beklagten ein Gesichtspunkt sein kann, der im Rahmen des Nachweises von Tatsachen, die das Vorliegen einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung vermuten lassen, heranzuziehen ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu prüfen, ob dies dort der Fall ist.“€œ

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) muss nun prüfen, ob die Umstände ausreichen, um eine Diskriminierung anzunehmen und eine Entschädigung dafür zu gewähren.

Auswirkungen für die Praxis

Abgelehnte Bewerber sollten weiterhin Auskunft über das Bewerbungsverfahren und die Qualifikation der anderen Bewerber verlangen, auch wenn sie keinen Anspruch darauf haben. Je nach dem, ob und mit welchem Inhalt Auskunft erteilt wird, muss dann abgewogen werden, ob tatsächlich eine Diskriminierung vorliegt und Entschädigung verlangt werden kann. Arbeitgeber tun gut daran, nicht gänzlich die Auskunft verweigern, sonst droht eine Beweislastumkehr, auch wenn eine Diskriminierung nicht vorgelegen hat.




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