BAG: Doppelte Schriftformklausel unwirksam

05.06.2008  • Arbeitsrecht

Doppelte Schriftformklausel und mündliche Individualvereinbarung
Viele Arbeitsverträge enthalten so genannte doppelte Schriftformklauseln; diese besagen, dass mündliche Nebenabreden unwirksam sind und auch die Ąnderung der Schriftform nur schriftlich erfolgen kann. In der Praxis wird aber oft „vergessen“, mündliche Ąnderungen der Vereinbarungen auch schriftlich zu dokumentieren; es entwickelt sich eine von den schriftlichen Vereinbarungen abweichende Praxis. Wenn der Arbeitgeber sich daran nicht mehr länger festhalten lassen will, beruft er sich auf die fehlende Schriftlichkeit der Vereinbarung und die daraus folgende Unwirksamkeit.
Das geht nicht, sagt nun das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 20. Mai 2008 (9 AZR 382/07) , denn nach § 305b BGB haben individuelle, auch mündlich getroffene Vertragsabreden Vorrang vor Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Eine solche doppelte Schriftformklausel weicht von diesem Grundsatz ab und ist gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Zahlungseinstellung wegen Schriftformklausel:
Im vom BAG entschiedenen Fall war der Kläger von Mai 2002 bis zum 31. März 2006 für die Beklagte als Büroleiter in China mit dortigem Wohnsitz beschäftigt. Die Beklagte erstattete ihm und den anderen dort tätigen Mitarbeitern die Kosten für die Miete. Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses verweigerte der Arbeitgeber ab August 2005 die Fortsetzung dieser ܜbung und berief sich dafür auf die im Arbeitsvertrag enthaltene Schriftformklausel. Nach dem Formulararbeitsvertrag bedürfen Ąnderungen und Ergänzungen des Vertrags sowie der Verzicht auf das Schriftformerfordernis der Schriftform.
Schon das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hatte der Klage stattgegeben. Der 9. Senat des BAG hat diese Entscheidung bestätigt und dem Kläger die weitere Mietkostenerstattung zugesprochen. Der Erstattungsanspruch des Klägers folge aus betrieblicher ܜbung. Die Schriftformklausel sei zu weit gefasst und daher gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Sie erwecke beim Arbeitnehmer entgegen der Schutzvorschrift des § 305b BGB den Eindruck, auch eine mündliche individuelle Vertragsabrede sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform gem. § 125 Satz 2 BGB unwirksam.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. Mai 2008 -9 AZR 382/07-
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 13. April 2007 -9 Sa 143/07-
Konsequenz für die Praxis
Mit dieser Entscheidung dürfte feststehen, dass doppelte Schriftformklauseln in Formulararbeitsverträgen der Vergangenheit angehören. Arbeitgeber können sich darauf nicht mehr berufen. Mündliche Nebenabreden und auf betrieblicher ܜbung beruhende Praxis sind wirksam. Die Arbeitnehmer haben aber nach wie vor die Beweislast dafür, dass eine von den schriftlichen Vertragsregelungen abweichende Vereinbarung zu ihren Gunsten besteht.




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